Bundestagswahl 2021

Vier Fragen haben wir den Bochumer Direktkandidaten zur Bundestagswahl gestellt. Nur drei davon haben geantwortet. CDU und FDP fanden - trotz mehrfacher Nachfrage - den Mieterverein offensichtlich nicht für würdig, sich mit seinen Fragen auseinanderzusetzen - oder sie wollten die Antworten, die sie ehrlicherweise hätten geben müssen, hier nicht präsentieren. Was Axel Schäfer (SPD), Max Lucks (B 90/Die Grünen) und Sevim Dagdelen (Die Linke) gewantwortet haben, finden Sie hier.


1. Miete

In vielen Städten sind die Mieten in den letzten Jahren rasant gestiegen. Bochum ist da nicht an der Spitze, aber auch hier sind inzwischen deutliche Steigerungen zu verzeichnen. Auch hier müssen immer mehr Haushalte zum Teil deutlich mehr als 30 % ihres Einkommens für das Wohnen ausgeben. Was wollen Sie tun, um die Menschen von hohen Wohnkosten zu entlasten? Befürworten Sie einen Mietenstopp oder -deckel?

Axel Schäfer, SPD


Die SPD will den Anstieg der Mieten bremsen – so lange, wie wir brauchen, um bezahlbare Wohnungen zu bauen. Deshalb wollen wir in angespannten Wohnlagen ein zeitlich befristetes Mietenmoratorium einführen: Mieten können dort im festgelegten Zeitraum nur in Höhe der Inflationsrate erhöht werden.

Max Lucks, B 90/Die Grünen


Wohnen ist ein Recht und keine Ware. Mehr zu bauen, wird alleine nicht ausreichen, um bezahlbare Mieten zu sichern. Alleine in meinem Bochumer Stadtteil, in Stahlhausen, kenne ich Kaltmieten, die bei Neuvermietungen, mal eben von 400€ auf 600€ steigen. Die gesamte Verantwortungspflicht zur Aufklärung solcher Vorgänge liegt dann beim Mieter. Wir brauchen eine wirksame, regional angepasste Mietobergrenze und eine verschärfte Mietpreisbremse, die durch genug Personal auch durchgesetzt werden kann.

Sevim Dagdelen, Die Linke


Die Mietpreisbremse der Großen Koalition aus SPD und Union ist schlecht gemacht und hat kaum Wirkung entfaltet. Die Mieten sind bundesweit in den vergangenen Jahren rasant angestiegen, und zwar viel schneller als die Einkommen. Hier klafft die Schere immer weiter auseinander. Fast die Hälfte der Mieterinnen und Mieter müssen mittlerweile mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Warmmiete ausgeben, mehr als 11 Millionen Haushalte sind durch die zu hohen Mieten sogar bereits überlastet. DIE LINKE fordert deshalb seit langem ein Moratorium für Mieterhöhungen und unterstützt die Kampagne für einen sechsjährigen Mietenstopp. In angespannten Wohnungsmärkten reicht aber auch das nicht aus. Deshalb fordern wir einen bundesweiten Mietendeckel, der es Kommunen ermöglicht, lokale Mietobergrenzen festzulegen, auf die überhöhte Mieten auch abgesenkt werden können.

2. Bestandssicherung

In Bochum fehlt – das hat die Hans-Böckler-Stiftung gerade wieder ermittelt – vor allem preiswerter Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen. Preiswerter Wohnraum geht auch durch Abriss und Neubau oder durch Modernisierung verloren. Was wollen Sie tun, um Wohnraum zu erhalten oder zu schaffen, den Geringverdiener bezahlen können?

Axel Schäfer, SPD


Wohnraum für Geringverdiener, insbesondere die Zahl der Sozialwohnungen, steht in der Tat in keinem Verhältnis zur Zahl der Mieterinnen und Mieter, die einen Anspruch auf ein solche Wohnung haben. Das müssen wir Schritt für Schritt ändern. Wir halten den Neubau von 400.000 Wohnungen insgesamt pro Jahr für erforderlich, davon 100.000 öffentlich gefördert. Dazu wird der Bund die Finanzmittel für den sozialen Wohnungsbau der Länder auf einem hohen Niveau fortsetzen.

Max Lucks, B 90/Die Grünen


Wir brauchen dringend ein öffentliches Wohnungsbauprogramm! Es war ein Fehler, dass Wohnraum in öffentlicher Hand in den letzten Jahrzehnten aufgelöst und privatisiert wurde. Es braucht ein solches, bundesweites Wohnungsbauprogramm für deutsche Städte in einem viel größeren Umfang als es die kommunalen Haushalte erlauben. Dazu wollen wir ein großes Investitionsprogramm auf den Weg bringen und auch öffentliche Wohnungsbaugesellschaften in ihrer Neugründung stärken!

Sevim Dagdelen, Die Linke


Bundesweit fehlen rund 5 Millionen Sozialwohnungen. Weil zuletzt nur rund 25.000 Sozialwohnungen im Jahr gebaut wurden, aber gleichzeitig jedes Jahr etwa 75.000 aus der Bindung fallen, wird Lücke zwischen Bedarf und Angebot noch dazu immer größer. Deshalb will DIE LINKE ein öffentliches Wohnungsbauprogramm nach Wiener Vorbild auflegen, das jährlich fünfzehn Milliarden Euro in den sozialen, gemeinnützigen sowie in den kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbau investiert. Auf diese Weise können im Jahr bis zu 250.000 Sozialwohnungen und weitere 130.000 kommunale und genossenschaftliche Wohnungen entstehen bzw. langfristig gesichert werden, auch in Bochum. Damit bauen wir nicht-profitorientierten Wohnungssektors auf, der Menschen mit geringen und durchschnittlichen Einkommen ein sicheres und bezahlbares Zuhause bietet. Gleichzeitig sinken so mittelfristig die Kosten für Mietzuschüsse durch das Wohngeld oder die Kosten der Unterkunft, die auf einem historischen Höchststand angelangt sind.

3. Gemeinwohlorientierung

Der Wohnungsmarkt wird heute stark beeinflusst von Großunternehmen, die gewinnorientiert sind. Beim größten Deutschen Wohnungsunternehmen, der hier in Bochum ansässigen Vonovia, gingen 2020 von jedem Euro Mieteinnahmen 37 Cent an die Aktionäre. Der Deutsche Mieterbund fordert seit vielen Jahren die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit, um auf dem Wohnungsmarkt einen nicht-gewinnorientierten Sektor zu schaffen. Unterstützen Sie diese Forderung?

Axel Schäfer, SPD


Ja, das unterstütze ich. Die SPD spricht sich für die Einführung einer Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit aus, um nicht gewinn- bzw. renditeorientierte Anbieter auf dem Wohnungsmarkt zu fördern. Die Devise lautet: steuerliche Vorteile gegen ein langfristiges Angebot an bezahlbaren Wohnungen. So entsteht eine Win-Win-Situation.

Max Lucks, B 90/Die Grünen


Wohnungseigentümer, die sich verpflichten Wohnraum für Menschen mit niedrigem Einkommen zu schaffen und die Mieten zu begrenzen, sollten entsprechend gefördert werden. Das war bei der Wohngemeinnützigkeit so, die wegen eines Skandals bei der Neuen Heimat abgeschafft wurde. Insgesamt war das Modell aber erfolgreich und es sollte wiederbelebt werden. Für die Investoren gibt es dann Investitionszulagen und eine Steuerfreiheit, wenn sie als sozialer Vermieter auftreten.

Sevim Dagdelen, Die Linke


Wohnen darf keine Ware und kein Profitcenter sein. DIE LINKE unterstützt daher den Berliner Volksentscheid „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“, über den in der Haupstadt am 26. September parallel zur Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl entschieden wird. Ziel ist die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne mit mehr als 3000 Wohneinheiten, darunter auch der in Bochum ansässige Vonovia, zugunsten eines Wohnungssektors, der Menschen mit geringen und durchschnittlichen Einkommen ein sicheres und bezahlbares Zuhause bietet.

DIE LINKE fordert und unterstützt darüber hinaus vorbehaltlos die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit. Deren Abschaffung im Jahr 1990 war ein Sündenfall, der für den aktuellen Niedergang des sozialen Wohnungsbaus und für den Aufstieg der großen Wohnungskonzerne maßgeblich verantwortlich ist. DIE LINKE hat bereits im Jahr 2016 ein detailliertes Konzept in den Bundestag eingebracht, um durch öffentliche Investitionen, Steuervergünstigungen und einen bevorzugten Zugang zu Grundstücken einen dauerhaft gemeinnützigen, nicht profitorientierten Wohnungssektor aufzubauen. Im Gegenzug müssen sich Wohnungsunternehmen, egal welcher Rechtsform, darauf verpflichten, Mietpreise auf Basis der Kostenmiete zu erheben, die Rendite auf den Basiszinssatz plus 2 Prozent, maximal auf 4 Prozent im Jahr zu begrenzen, Gewinne in Bau oder Modernisierung gemeinnütziger Wohnungen zu reinvestieren und Wohnungen vorrangig an Mieterinnen und Mieter mit geringen und mittleren Einkommen sowie an besondere Bedarfsgruppen zu vergeben. Leider hat die große Koalition auch in dieser Wahlperiode unsere Vorschläge wiederholt abgelehnt.

4. Bodenpolitik

Bochum liegt in der Liste der Großstädte mit den meisten versiegelten Flächen auf Platz 9. Gleichzeitig schießen die Preise für Baugrundstücke wie auch in anderen Städten in schwindelerregende Höhen. Da rückt die Bodenfrage in der Wohnungspolitik immer mehr in den Fokus. Was kann der Bund dafür tun, dass die Preisspirale gestoppt und “die grüne Wiese” geschont wird?

Axel Schäfer, SPD


Dagegen hilft nur eine Bodenpolitik, die am Gemeinwohl orientiert ist. Dazu müssen Bund, Länder und Kommunen das öffentliche Eigentum an Grundstücken aufrechterhalten und weiter ausbauen. Ein Vorkaufsrecht für die Kommunen zu fairen Preisen, die Schaffung von Bodenfonds – unter Einbeziehung bundeseigener Grundstücke –, die Abschaffung der geltenden 10-Jahres-Frist für Veräußerungsgewinne von Grundstücken, die nicht selbst genutzt werden, die Einführung eines Planungswertausgleichs, um leistungslose Bodenwertsteigerungen der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen sind geeignete Instrumente, um die Spekulation mit Grundstücken einzudämmen. Die Liegenschaftspolitik des Bundes soll in Zukunft die Kommunen dabei unterstützen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Max Lucks, B 90/Die Grünen


Versiegelung wird nicht den Mangel an bezahlbarem Wohnraum ändern. Statt die grüne Wiese zu betonieren, fordern wir im Bund eine Baupflicht für bebauungsfähige Grundstücke. Damit soll sichergestellt werden, dass Grundstücke nicht einfach als Spekulationsmasse verfallen. Wer auf Bauland nicht baut, kann dann mit einer Enteignung bei Entschädigung rechnen. Wenn wir das vorhanden Bauland nutzen, brauchen wir auch keine grüne Wiese mehr für bezahlbaren Wohnraum. In Bochum sind wir Grüne die Stimme für das Entsiegeln von Flächen und setzen dieses Thema auch gegen Widerstände auf die Agenda!

Sevim Dagdelen, Die Linke


Die Bodenfrage ist in vieler Hinsicht die Voraussetzung für eine soziale sowie umwelt- und klimagerechte Politik. Mit einem Bodensicherungsgesetz wollen wir die Privatisierung öffentlichen Immobilieneigentums stoppen und eine Trendwende einleiten, hin zu mehr statt weniger Bauland in Gemeinschaftshand. Bund, Länder und besonders die Kommunen sollen durch ein Bodenankaufprogramm im Umfang von zwei Milliarden Euro im Jahr sowie durch ein flächendeckendes, auf den sozialen Ertragswert preislimitiertes kommunales Vorkaufsrecht bei der Bodenbevorratung unterstützt werden.

Kommunaler Bodenbesitz dämpft die Preise gibt den Kommunen wichtige Steuerungsmöglichkeiten für eine soziale Wohnungspolitik und die Daseinsvorsorge an die Hand. Die Bodenpreise müssen dringend gedeckelt werden. Wir wollen mit einem Antispekulationsgesetz die Bereicherung einiger Weniger zulasten der Mieterinnen und Mieter unterbinden.