Entlarvte Mythen: Was bei der Wärmewende wirklich zählt

Energieeffizienzklassen
Die Wärmewende ist zentraler Bestandteil der Klimaschutzbemühungen im Gebäudesektor. Doch Vorurteile und Missverständnisse prägen die öffentliche Debatte – oft ohne sachliche Grundlage. In einer neuen Broschüre der Rosa-Luxemburg-Stiftung räumt die Klima- und Energieexpertin Elisabeth Staudt mit diesen Mythen auf und liefert fundierte Fakten und Argumente. Das Heizungsgesetz spaltete Deutschland 2023 wie kaum ein anderes Gesetzesvorhaben
Die Wärmewende ist zentraler Bestandteil der Klimaschutzbemühungen im Gebäudesektor. Doch Vorurteile und Missverständnisse prägen die öffentliche Debatte – oft ohne sachliche Grundlage. In einer neuen Broschüre der Rosa-Luxemburg-Stiftung räumt die Klima- und Energieexpertin Elisabeth Staudt mit diesen Mythen auf und liefert fundierte Fakten und Argumente.
Das Heizungsgesetz spaltete Deutschland 2023 wie kaum ein anderes Gesetzesvorhaben in der jüngeren Vergangenheit. Was als wichtiger Schritt hin zu einer klimagerechten Transformation des Gebäudesektors gedacht war, entwickelte sich schnell zu einem Schauplatz gezielter Desinformationskampagnen. Schlagworte wie „Heiz-Hammer“ oder „Heizungsverbot“ dominierten die öffentliche Debatte, schürten Ängste in der Bevölkerung und führten zu einem erheblichen Vertrauensverlust in die Klimapolitik der Ampelkoalition.
Das Heizungsgesetz steht exemplarisch für die zahlreichen Mythen, die die Wärmewende begleiten. Um solcher Desinformation entgegenzuwirken, hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung eine neue Broschüre veröffentlicht. Darin setzt sich Klima- und Energieexpertin Elisabeth Staudt mit den häufigsten Vorurteilen sowie falschen Annahmen auseinander – und widerlegt sie:
„Klimaschutz im Gebäudesektor ist überbewertet“
Der Gebäudesektor trägt mit mehr als einem Drittel der Treibhausgasemissionen und fast 40 Prozent des Energieverbrauchs erheblich zum Klimawandel bei. Die Vorstellung, dass Klimaschutz in diesem Bereich nebensächlich sei, ignoriert die enormen Einsparpotenziale von CO2. Zudem ist der Gebäudesektor eng mit sozialen und wirtschaftlichen Aspekten verknüpft: Viele Menschen leben in schlecht isolierten Wohnungen, wodurch der Energieverbrauch und die Heizkosten steigen. Insbesondere einkommensärmere Miethaushalte sind vom schlechten energetischen Zustand ihrer Wohngebäude betroffen.
„Die Sanierung von Gebäuden ist zu teuer“
Energetische Sanierungen erfordern zwar Investitionen, senken jedoch langfristig Energiebedarf und Energiekosten und erhalten den Immobilienwert nachhaltig. Schließlich führen Energieverluste in schlecht isolierten Gebäuden zu hohen Heizkosten, die einkommensschwächere Haushalte übermäßig belasten. Untätigkeit hingegen verursacht steigende Klimaschäden und teure Notfallmaßnahmen, wodurch die Gesamtkosten für Gesellschaft und Umwelt deutlich höher ausfallen.
„Die Wärmewende macht das Wohnen unbezahlbar“
Energetische Sanierungen führen nicht zwangsläufig zu unerschwinglichen Wohnkosten. Vielmehr sind es die bestehenden politischen Regelungen wie die Modernisierungsumlage, die eine unfaire Kostenabwälzung auf die Mietenden zulassen. Eine warmmietenneutrale Sanierung, bei der die Einsparungen bei den Energiekosten die Mieterhöhungen ausgleichen, kann diese Problematik lösen. Staatliche Förderungen, gezielte Anreize für Vermieter:innen und soziale Schutzmechanismen sind notwendig, um Klimaschutzmaßnahmen gerecht und bezahlbar zu gestalten. Mit der Verzahnung von Klima- und Wohnungspolitik kann die Wärmewende bezahlbar gestaltet und die bereits vorherrschende Energiearmut reduziert werden.
„Der Sanierungswahn hilft dem Klima nicht“
Von Wahn kann keine Rede sein: Seit drei Jahren liegt die Sanierungsquote unter einem Prozent. Für die Erreichung der Klimaschutzziele wird allerdings eine Quote von mindestens zwei Prozent benötigt. Eine energetische Gebäudequalität und die Umstellung der Beheizung auf fossilfreie Brennstoffe leisten nachweislich einen entscheidenden Beitrag zur Senkung der Emissionen und zum Klimaschutz. Der Vorwurf der Ineffizienz verkennt, dass das Zusammenspiel aus Energieeinsparung und erneuerbaren Energien den Schlüssel zur Klimaneutralität bildet. Gut isolierte Gebäude schützen zudem bei Hitzeperioden, die durch den Klimawandel häufiger werden. Sanierungen bieten somit sowohl ökologische als auch gesundheitliche Vorteile.
„Die Wärmepumpe funktioniert nicht in Bestandsgebäuden“
Moderne Wärmepumpen sind auch in weniger gut gedämmten Gebäuden effizient und nachhaltig einsetzbar, insbesondere wenn gezielte Maßnahmen wie die Dämmung der oberen Geschossdecke oder der Austausch einzelner Heizkörper durchgeführt werden. Der Mythos, Wärmepumpen erforderten eine umfassende Sanierung, ist wissenschaftlich widerlegt. Im europäischen Ausland hat sich der Einsatz von Wärmepumpen längst bewährt. Gerade nordische Länder mit kälterem Klima, wie Schweden oder Norwegen, haben die Nase im europäischen Vergleich weit vorn. Langfristig sind Wärmepumpen eine kostengünstige und nachhaltige Alternative zu fossilen Heizsystemen.
„Wasserstoff ist die Lösung“
Wasserstoff spielt in der Industrie eine wichtige Rolle, ist jedoch für den Einsatz für Heizungen in Wohngebäuden ineffizient und teuer. Für die gleiche Heizleistung benötigt Wasserstoff bis zu fünfmal mehr (erneuerbare) Energie als eine Wärmepumpe. Die Erzählung, dass Wasserstoff oder Biogas bald großflächig zum Heizen von Gebäuden genutzt wird, dient vor allem Wirtschaftsinteressen und schafft unnötige Unsicherheit. Der Verweis auf eine mögliche spätere Umstellung von Gasheizungen auf erneuerbare Energien lenkt davon ab, fossile Systeme konsequent abzubauen und praktikable Lösungen wie Wärmepumpen voranzutreiben.
„Der ‚Heiz-Hammer‘ treibt die Menschen in den Ruin“
Das Heizungsgesetz reguliert den Neueinbau fossiler Heizungen und bietet zahlreiche Ausnahmen sowie Fördermöglichkeiten für Bestandsgebäude. Zudem koppelt es den Heizanlagentausch in Bestandsgebäuden an die kommunalen Wärmeplanungen und schafft lange Übergangsfristen. Die Desinformations-Kampagne zum Gebäudeenergiegesetz von Opposition und Wirtschaftsverbänden, die das Gesetz als „Heizungsverbot“ oder „Heiz-Hammer“ darstellten, verwässerte die Ziele der wichtigen Gesetzesanpassungen. Die Regierung versäumte es, den sozialen und klimapolitischen Nutzen des Gesetzes klar zu kommunizieren, was Ängste und Unsicherheiten in der Bevölkerung verstärkte. Mit einer frühzeitigen Einbindung von Sozialverbänden und einer gezielten Informationskampagne hätte die Akzeptanz gestärkt werden können.
„Wir brauchen mehr Markt und weniger Verbote“
Marktmechanismen wie der CO2-Preis wirken vor allem, wenn fossile Energiekosten extrem steigen. Dies führt aber auch zu überproportionalen Kostenbelastungen, insbesondere zulasten einkommensschwächerer Gruppen. Staatliche Förderungen, hochwertige Beratung und klare gesetzliche Vorgaben sind notwendig, um Investitionen in klimaneutrale Gebäude zu fördern und soziale Gerechtigkeit sicherzustellen. Ohne klare Regelungen besteht die Gefahr, dass sich nur wohlhabende Haushalte Klimaschutzmaßnahmen leisten können.
„Mieter:innen ist der Klimaschutz nicht so wichtig“
Studien zeigen, dass Mieter:innen Klimaschutz befürworten, jedoch in der Regel von Vermietenden abhängig sind, die notwendige Investitionen blockieren. Mitbestimmungsrechte und nicht-gewinnorientierte Wärmeversorgung können die Akzeptanz erhöhen. Eine sozial gerechte Wärmewende sollte daher die Interessen der Mieter:innen in den Mittelpunkt stellen und deren Mitgestaltung fördern.
Für viele interessante Fakten sowie eine fundierte Auseinandersetzung mit den Mythen rund um die Wärmewende empfehlen wir die vollständige Broschüre der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Nutzen wir die Chance, Missverständnisse zu entkräften und gemeinsam für eine nachhaltige, sozial gerechte Wärmewende einzutreten!
Dieser Artikel erschien zuerst auf der Homepage des Berliner Mietervereins.