Handlungskonzept: Neubaukrise erfordert Wende zur Bestandspolitik

Seit Anfang März liegt der Entwurf für das neue Handlungskonzept Wohnen Bochum vor. Bis zum 5. April sind nun Bürgerinnen und Bürger eingeladen, sich an der Entwicklung des Konzepts über die städtische Beteiligungsplattform zu beteiligen. Das Konzept, das der Rat der Stadt beschließen wird, gibt die Leitlinien für die kommunale Wohnungspolitik der nächsten Jahre vor. Die Stadt muss Lösungen für die Herausforderungen finden, die sich durch den Mangel an bezahlbaren vor allem kleinen und großen Wohnungen und der sich verschärfenden Neubaukrise finden. Auch in Bochum wurden bereits viele Neubauprojekte gestoppt. Der Handlungskonzeptentwurf wurde maßgeblich vom Institut Empirica verfasst. Die Autor:innen schätzen darin ein, dass mindestens für die Jahre 2025 bis 2027 sehr geringe Fertigstellungszahlen im Bochumer Wohnungsbau zu erwarten sind. Lösungen versprechen daher vor allem Maßnahmen im bereits gebauten Bestand.

Der Mieterverein begrüßt viele Vorschläge im Entwurf, die die Bestandspolitik stärker in den Fokus rücken:

  • Eine Wohnraumschutzsatzung sollte eingeführt werden, um den Verlust weiterer Wohnungen zu verhindern.
  • Es sollen mehr bezahlbare Sozialwohnungen für ärmere Haushalte als bisher gebaut werden.
  • Eine Konzentration auf schneller zu erstellende Wohnungen im Bestand und im Innenbereich wird angestrebt

 

Martin Krämer vom Mieterverein Bochum fordert: „Es braucht noch mehr Mut für diese Wende zur Bestandspolitik. Denn die Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus, bedarfsgerechten Wohnraum anzubieten.Gleichzeitig sollte offensiv gegen Leerstand, Abriss und Instandhaltungsstau vorgegangen werden. Neben einer Wohnraumschutzsatzung sollten die Möglichkeiten der Wohnraumaufsicht gestärkt werden.

Maßnahmen gegen Leerstand, Abriss und Instandhaltungsstau

Bisher fehlen der Stadt viele Fakten. Die Zahl der Abrisse und Wohnungen mit Instandhaltungsstau wird in Bochum überhaupt nicht erfasst. Bekannt sind 3,6 Prozent Leerstände nach der sogenannten Stromzählermethode. Diese erfasst jedoch keine leerstehenden Wohnungen ohne Stromzähler. Diese werden spätestens nach sechs Monaten ausgebaut. Viele dieser Wohnungen stehen wegen Instandhaltungsstau leer. Angesichts der Neubaukrise plädiert der Mieterverein für eine Sanierungs- und Modernisierungsoffensive, um leerstehende Wohnungen wieder bewohnbar zu machen.

Die Ursachen für den Instandhaltungsstau sind vielfältig. Zu unterscheiden ist zwischen Instandhaltungsstau bei unseriösen Unternehmen oder Finanzmarktakteuren wie z.B. im Unicenter. Aus der Beratung kennt der Mieterverein viele solcher Mietwohnungen. Das Geschäftsmodell dieser Unternehmen besteht darin, mit sehr geringen Instandhaltungsaufwendungen Profite zu erzielen.

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum zwingt die Menschen jedoch dazu, trotz vieler teils gesundheitsgefährdender Mängel wohnen zu bleiben oder gar einzuziehen. Diese „Lock-In-Effekte“ können gravierende soziale Folgen haben; von beengten Wohnverhältnissen für Kinder, die keinen Raum zu Lernen finden bis hin zu häuslicher Gewalt.

Wohnungen mit Instandhaltungsstau bei Privatvermietern stehen dagegen häufig leer, weil die Eigentümer finanziell oder organisatorisch überfordert sind. Diese Vermieter benötigen Beratung und Hilfen.

Mehr bezahlbare Wohnungen

Da besonders einkommensschwache Haushalte unter hohen Mietbelastungen leiden, darf die Gesamtzahl der geförderten Wohnungen in Bochum keinesfalls weiter sinken, wie im Maßnahmenkatalog gefordert. Jährlich 450 auslaufenden Sozialbindungen stehen 300 anzustrebenden neu zu gewinnenden gegenüber.

Dass dies funktionieren kann, hat das jüngst veröffentlichte Förderergebnis für 2023 eindrucksvoll gezeigt. Fast 1.000 neue Förderungen konnten durch neue Sozialbindungen (vor allem durch Modernisierungsförderung) und Belegungsankäufe von fast 500 VBW-Wohnungen erzielt werden.

Der Mieterverein fordert zudem den mit Abstand wichtigsten Anbieter von bezahlbarem Wohnraum, die kommunale VBW, zu stärken. Es wäre wichtig ihren Wohnungsbestand zu erhöhen. Der Mieterverein schlägt vor, im Maßnahmenkatalog des Handlungskonzeptes einen Gesamtbestand von 20.000 Wohnungen, davon 10.000 Sozialwohnungen, bis zum Jahr 2030 als Ziel anzustreben. Um diese Entwicklung zu ermöglichen, sollte die Gewinnabführung an die Stadt und die Vonovia in Höhe von jährlich 3 Mio. Euro beendet werden.

Weitere Infos

Entwurf des Handlungskonzeptes Wohnen

Beteiligungsplattform