Der Wohnungstausch hat zu viele Hürden

So bestechend einfach das Konzept Wohnungstausch auch ist, so sehr stößt es auf Skepsis und Desinteresse. „Es funktioniert in der Praxis einfach nicht“ sagen große Teile der Politik und der Wohnungswirtschaft. Finanzielle Anreize für Umzugswilllige, groß angelegte Werbekampagnen oder Plakataktionen – vielerorts Fehlanzeige. Dabei kann Wohnungstausch nicht nur zwei Haushalte glücklich machen, sondern auch zu einer besseren Nutzung der Flächenressourcen beitragen. Warum also nicht mal kreativ sein und Hürden beiseite räumen? Einige Städte machen es vor.

Wer auf den einschlägigen Wohnungsportalen im Internet stöbert, stößt immer wieder auf Tauschangebote. Sie werden von den beiden Marktführern Tauschwohnung.com und Wohnungsswap inseriert. Da werden Preise genannt, die wohl bei allen Wohnungssuchenden für Schnappatmung sorgen. Eine Dreizimmerwohnung i Berlin-Prenzlauer Berg für 530 Euro kalt. Oder eine 50 Quadratmeter große Altbauwohnung für 350 Euro. Die Angebote sind so verführerisch, dass einige Nutzer:innen beschließen, ihre Wohnung zum Tausch anzubieten – ohne das vorher mit der Hausverwaltung abzusprechen. Doch so einfach, wie sich das viele vorstellen ist es nicht. Häufig wollen Vermietende dem Tausch nicht zustimmen. Und selbst wenn: bei der günstigen Miete bleibt es meist nicht. In der Not werden dann Wege gesucht, um die Zustimmung des Vermieters zu umgehen, etwa indem beide Tauschwilligen sich gegenseitig die Wohnung untervermieten. Ein riskantes Tauschgeschäft, von dem nur abzuraten ist (siehe auch die Infobox “Was bei einem Wohnungstausch mietrechtlich zu beachten ist“).

„Wir weisen unsere Nutzer ausdrücklich darauf hin, dass vorab das Okay des Vermieters eingeholt werden sollte“, sagt John Weinert, Geschäftsführer der Tauschwohnung GmbH. Abgefragt werde es aber nicht, man könne es schließlich nicht kontrollieren. Das 2010 gegründete Unternehmen betreibt bundesweit Wohnungstauschportale, zum Teil auch in Kooperation mit Kommunen oder Genossenschaften, und verzeichnet ein sprunghaft gestiegenes Interesse am Wohnungstausch. 5300 Haushalte wurden bundesweit in den letzten zwei Jahren über das Portal erfolgreich vermittelt. Tendenz steigend.

Eine davon ist die Berlinerin Lilith. Sie wollte mit ihrem Freund zusammenziehen. Als sie auf ImmoScout immer wieder Tauschinserate sah, kam sie auf die Idee, es auf diesem Weg zu versuchen und bot seine beiden Einzimmerwohnungen an. Nach knapp sechs Wochen Suche fand das junge Paar eine passende 90 Quadratmeter große Maisonette-Wohnung für 980 Euro. „So etwas hätten wir auf dem normalen Wohnungsmarkt nie gefunden“, sagt Lilith. Bei beiden Seiten wurde die Miete beim Wohnungswechsel nicht erhöht. Während die private Wohnungseigentümerin ihres Freundes gleich einverstanden war, musste sie ihre Hausverwaltung erst überzeugen, zumal sie erst vor zwei Jahren eingezogen war und die vertraglich vereinbarte Mindestlaufzeit noch nicht abgelaufen war. Doch sie hatte Glück: „Ich einen netten Ansprechpartner bei der Hausverwaltung, dem ich meine Situation schilderte. Als ich dann noch anbot, die Wohnung neu zu streichen, obwohl ich dazu gar nicht verpflichtet war, war er einverstanden.“

In der Praxis scheitert der Wohnungstausch oft an den Vermietenden. Das kann John Weinert bestätigen. Viele würden das Konzept gar nicht kennen, das habe eine gemeinsame Studie mit ImmoScout unter 200 Vermieter:innen ergeben. Doch welches Interesse sollten sie haben, einem Tausch zuzustimmen? Schließlich können sie sich unter unzähligen Bewerbungen die mit dem dicksten Geldbeutel herauspicken. Die allermeisten, so Weinert, wollen sich nicht durch Hunderte Bewerbungen wühlen. „Wohnungstausch spart dem Vermieter Zeit und er hat keinen Mietausfall.“ Der Geschäftsführer der Tauschwohnung GmbH ist überzeugt: es sei eine Win-Win-Situation für Mieter:innen und Vermieter:innen.

Damit der Wohnungstausch in größerem Maßstab gelingen kann, schlug die Linken-Fraktion im Bundestag vor, ein Recht auf Wohnungstausch einzuführen. Demnach sollen die Mieter:innen in den jeweils anderen Mietvertrag eintreten – unter Beibehaltung der bisherigen Vertragskonditionen und ohne Erhöhung der Mieten. Nur aus triftigen Gründen soll der Vermietende seine Zustimmung verweigern können. Gleichzeitig solle ein Förderprogramm aufgelegt werden, um Haushalten mit geringem Einkommen eine Umzugsprämie zahlen zu können. Der Antrag wurde abgelehnt. Bei der Anhörung im Bundestag im September 2023 verwies der Immobilienverband Deutschland (IVD) darauf, dass der Tausch in Österreich, wo ein solcher gesetzlicher Anspruch seit 1982 besteht, in der Praxis keine Rolle spielt. Nachfrage und Angebot würden eben nur in Ausnahmefällen zeitlich, örtlich und räumlich zusammenpassen, erklärte Christian Osthus, stellvertretender Bundesgeschäftsführer des IVD. Eine Pflicht, einen Tauschmieter zu akzeptieren, noch dazu bei Zementierung der Miete, verletzte zudem die Vertragsfreiheit und sei daher nicht verfassungskonform. Ähnlich äußerten sich Vertreter:innen anderer Eigentümerverbände.

Der Deutsche Mieterbund (DMB), der schon seit langem eine rechtliche Verankerung der Option zum Wohnungstausch fordert, wies dagegen auf die stillen Wohnraumreserven hin. Laut Statistischem Bundesamt leben 10,5 Prozent der Bevölkerung Deutschlands in überbelegten Wohnungen. Bei Haushalten mit Kindern sind es sogar 15,9 Prozent. Auf der anderen Seite leben in Köln 9 Prozent der Haushalte mit älteren Menschen (über 70) in sehr großzügigen Wohnungen. Ursache dafür, so Franz Michel vom DMB, seien mit hoher Wahrscheinlichkeit die hohen Angebotsmieten, die einen Umzug in eine kleinere Wohnung unattraktiv machen. Ohne einen Bestandsschutz für günstige Mieten beim Umzug in kleinere Wohnungen – wie von den Justizminister:innen der Bundesländer vorgeschlagen könne die grundsätzlich gute Idee Wohnungstausch nur wenig zur Lösung der Wohnraumkrise beitragen, so Franz Michel. Allerdings hält der DMB den vorgelegten Antrag der Linken für zu schwammig. Die konkreten Bedingungen, unter denen ein Wohnungstausch vollzogen werden kann, müssten analog zum österreichischen Modell unbedingt gesetzlich geregelt werden.

Das vielzitierte Beispiel Österreich zeigt aber auch: je mehr Bedingungen daran geknüpft werden, desto weniger praktikabel wird es. Ein Anspruch auf Tausch besteht dort nur, wenn besondere soziale, gesundheitliche oder berufliche Gründe vorliegen. Zudem muss man mindestens fünf Jahre in der Wohnung gelebt haben und es muss nachgewiesen werden, dass man sich anderweitig um Wohnraum bemüht hat.

Einen Anspruch darauf, seine Wohnung zu tauschen – und das zum gleichen Quadratmeter Preis- gibt es bei den sechs städtischen Wohnungsunternehmen Berlins. Doch die 2018 eingerichtete Börse ist ein Flop. Die ernüchternde Bilanz: trotz regem Interesse wurde 2023 nur 135 mal erfolgreich getauscht. Hauptproblem, so der Sprecher des Berlin-Brandenburgischen Wohnungsverbandes (BBU) sei das „Mismatch“. Auf fünf Haushalte, die sich vergrößern wollen, kommt einer, der sich verkleinern will, erklärt David Eberhart. Gerade älteren Menschen falle es schwer, die gewohnte Umgebung zu verlassen und sich von Möbeln und anderen Erinnerungsstücken zu trennen.

Tatsächlich haben alle Tauschbörsen mit diesem Missverhältnis zu kämpfen. „Es gibt finanzielle und emotionale Barrieren bei älteren Menschen, die in großen Wohnungen mit günstigen Mietverträgen leben“, sagt auch Weinert in seiner Stellungnahme bei der Anhörung im Bundestag. Um den Wechsel zu vereinfachen, müssten die richtigen Bedingungen geschaffen werden. Neben einem finanziellen Anreiz gehöre dazu auch eine Begleitung beim Ausmisten und beim Umzug.

Weil nicht alle älteren Menschen Internet-affin sind, hat sich die Stadt Potsdam bis Ende 2023 eine Koordinierungsstelle mit einer persönlichen Vorort-Sprechstunde geleistet. Projektträger war das Kollektiv Stadtsucht. Hier wertet man die Börse als Erfolg, auch wenn die Bilanz – 12 erfolgreiche Tauschvorgänge – nicht berauschend ist. Ein Tausch ist ein komplizierter Vorgang, so Joachim Faßmann vom Kollektiv Stadtsucht. Er spricht vom „Überraschungspaket Mensch“ . Manchmal scheitere es daran, dass der Einbauschrank nicht in die neue Wohnung passt. Ein anderes Problem: oft muss die Wohnung vor dem Umzug barrierearm umgebaut werden. Neben Fördermitteln für den Umbau seien daher vorübergehende Umsetzwohnungen und eine individuelle Begleitung gerade bei älteren Menschen entscheidend, um den Umzug attraktiver zu machen. Allerdings, so Faßmann, dürfe man nicht nur die Zielgruppe der Menschen im Rentenalter im Blick haben, sondern auch die der Mittfünfziger, bei denen die Wohnung nach dem Auszug der Kinder zu groß geworden ist. Aufgrund der Haushaltslage wurde die Koordinierungsstelle Ende 2023 eingestellt.

Städte wie München, Düsseldorf oder Freiburg haben längst eigene Tauschbörsen aufgebaut, bewerben die Idee mit groß angelegten Plakataktionen und zahlen Tauschwilligen Zuschüsse. Freiburg beispielsweise trägt die Idee mit pfiffigen Plakaten in die Öffentlichkeit und zahlt Mieter:innen, die eine große Wohnung freimachen, bis zu 2000 Euro Umzugspauschale. 2021 hat die Stadtverwaltung, in Kooperation mit Tauschwohnung.com, eine KI-gestützte Plattform eingerichtet. Wieviele Tauschvorgänge zustande gekommen sind, könne man nicht sagen, weil man lediglich passende Gesuche zusammenbringt, erklärt der Pressereferent Sebastian Wolfrum, Es gebe jedoch Indizien. 34 Nutzer:innen haben sich mit der Begründung abgemeldet, sie hätten eine Tauschwohnung auf der Plattform gefunden. Man gehe aber davon aus, dass die Zahl deutlich höher sei, da sich erfahrungsgemäß die wenigsten Nutzer:innen abmelden. „Die Börse werten wir daher als Erfolg. Dies spiegelt sich auch in dem Feedback wieder, das wir erhalten,“, so Wolfrum.

Frankfurt/Main zahlt an tauschbereite Mieter:innen unterbelegter Sozialwohnungen Zuschüsse. Unabhängig vom Einkommen gibt es Geld für die Renovierung (1600 Euro bei eigener Ausführung, 5600 Euro bei einer Fachfirma) plus Umzugskosten.

Das Wohnungsamt der Stadt Düsseldorf unterstützt sogar bei den Verhandlungen mit den Vermieter:innen. Unterstützung gibt es außerdem bei der gesamten Planung und Organisation des Umzugs, inklusive der vorübergehenden Einlagerung des Hausstandes und der Umsetzung individueller Maßnahmen zur Wohnraumanpassung. Vermieter:innen können sich ihre Zustimmung versüßen lassen: auf Antrag gibt’s einen städtischen Zuschuss von bis zu 2500 Euro. Falls notwendig, wird sogar Geld für für die Anmietung einer Übergangswohnung oder eines Hotelzimmers gezahlt. Das ist wichtig, weil die Tauschwohnung manchmal erst hergerichtet werden muss. Nicht jeder kann wochenlang im Bekanntenkreis unterkommen.

Der zeitgleiche Umzug kann tatsächliche eine Herausforderung sein, wie auch Hartmut aus Berlin erfahren hat. „Das war ziemlich chaotisch“, erinnert sich der 64-Jährige. „Die Möbelträger sind sich auf der Treppe begegnet und man musste schon aufpassen, dass sie nicht aus Versehen die falsche Kiste oder Lampe schnappten.“ Beim nächsten Mal würde er es besser organisieren. Aber ansonsten ist er rundum glücklich, dass es geklappt hat. In seinem Fall war es die Vermieterin, die den Tausch vorgeschlagen hat. „Sie hatte wohl Sorge, dass ich nach dem Tod meines Partners auf Dauer nicht die Miete stemmen kann“, vermutet er. Hartmut ließ sich zwei Jahre lang Zeit, inserierte seine Wohnung mit Fotos und bekam auch immer wieder Anfragen. „Aber ich bin sehr mit dem Kiez verbunden, in einen anderen Stadtteil wollte ich nicht“, erzählt er. Doch irgendwann klappte es: ein junges Paar mit Kinderwunsch wollte seine 120 Quadratmeter große Wohnung nehmen. Hartmut zögerte zunächst. Die andere Wohnung war viel kleiner, seine gesamten Möbel passten da nicht rein. Schließlich gab er sich einen Ruck: „Man muss eben Abstriche machen.“ 570 Euro bruttokalt zahlt er nun für die 60 Quadratmeter große Wohnung. Er weiß: „So etwas findet man heutzutage nicht mehr.“ Außerdem gibt es einen schönen Garten hinter dem Haus.
Fest steht: Wohnungstausch wird nie ein Massenphänomen sein. Es ist kein Allheilmittel, aber ein Baustein zur Optimierung der Wohnungsversorgung und zu einem nachhaltigen Umgang mit der knappen Ressource Fläche.

Birgit Leiss

Lesen sie zum Thema Wohnungstausch auch das Interview mit Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein.