206 und eine Zwangsräumung in Bochum
2023 wurden in Bochum 268 Zwangsräumungen von Wohnungen verfügt, 206 davon auch durchgeführt. Das geht aus einer Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage der Fraktion “Die Linke” hervor. 58 davon waren Haushalte mit Kindern. Das Niveau entspricht dem des Vorjahres. Meist ist der Hintergrund nicht gezahlte Mietschulden. Fast alle Räumungsverfahren liefen geräuschlos.
Dies gilt aber nicht für eine bald anstehende Zwangsräumung in der Kohlenstraße 135. Der letzte Bewohner einer Häuserreihe im städtischen Besitz wehrt sich weiter, seine Wohnung zu verlassen. Dort plant die Stadt perspektivisch, Gewerbe anzusiedeln. Der Bewohner bekommt seit Dezember viel Unterstützung von anderen Menschen. Im Dezember fand eine Demonstration für ihn statt. Ein Solikreis fordert seitdem u. a. die Aussetzung der Zwangsräumung.
Die 4 Häuser an der Kohlenstraße 135 bis 141 sind der letzte Rest des Heusnerviertels, das in den 90er Jahren zugunsten der “Westtangente” – der heutigen A 448 – abgerissen wurde. Seitdem hat die Stadt keine Instandhaltung mehr betrieben und die Häuser vergammeln lassen. Leergezogene Wohnungen wurden nicht neu vermietet, obwohl preiswerter Wohnraum in Bochum an allen Ecken und Enden fehlt. Bereits im vergangenen Jahr mussten unbewohnbar gewordene städtische Häuser an der Harpener Straße abgerissen werden. Der Mieterverein appelliert daher an die Stadt, zeitnah Maßnahmen zu ergreifen, damit nicht durch mangelhafte Instandhaltung weitere Häuser verloren gehen.
Die Räumung ist vom Landgericht in 2. Instanz für rechtsgültig erklärt worden. Die Stadt hat nach eigener Aussage einen Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung beauftragt. Noch 2023 hatte die Stadt laut dem Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung die Häuser als nicht besonders problematisch gekennzeichnet, so dass ein sofortiger Abriss nicht geboten erscheint. Einen Plan für die Nachnutzung des Geländes hat die Stadt bisher auch noch nicht vorgestellt.
Der Bewohner versuchte laut WAZ, mit einem ungewöhnlichen Vorschlag nochmal die Diskussion zu eröffnen. Er bot an, sein Haus für 50.000 € zu kaufen und dies nach seinem Tod an die Stadt zurückzugeben. Diesem Ansinnen schließt sich nun die Fraktion Die Partei/Stadtgestalter an, die einen entsprechenden Antrag im Rat der Stadt gestellt hat. Sie fordert zudem einen ergebnisoffenen Prozess zur Nachnutzung. Die Fraktion geht aber davon aus, dass dort wegen der Autobahn keine neuen Wohnungen entstehen können.
Diese Sichtweise teilt der Mieterverein. Solange keine konkrete Nachnutzung der Fläche in Aussicht ist, sollte die Zwangsräumung ausgesetzt bleiben und der Bewohner wohnen bleiben können. Alle Beteiligten sind gut beraten nach alternativen Lösungen zu suchen.
Der Mieterverein ärgert sich vor allem darüber, dass diese Häuser mit 25 Wohnungen angesichts des Mangels an bezahlbaren Wohnraums nicht instandgehalten und vermietet wurden. Alle anderen städtischen Gebäuden sollten nun zeitnah auf ihre Instandhaltung überprüft werden. Der Verlust preiswerten Wohnraums bleibt die zentrale Herausforderung für das aktuell bearbeitete Handlungskonzept Wohnen. Weil Neubau nur noch zu unbezahlbaren Preisen führt, haben daher schon gebaute Häuser eine noch wichtigere Funktion erhalten.
Ganz aktuell sind seit Montag Morgen (29. 1.) auf dem Gelände Bagger aktiv, obwohl die Räumung bisher nicht durchgeführt wurde. Der Mieterverein kritisiert dieses Vorgehen, das der Mieter eigentlich nur als schikanös empfinden kann. Die Räumung ist erst für Anfang März angesetzt.