Wohnungskrise: Wohnraumschutzsatzung und Hilfen für Vermieter gefordert
Auf Einladung des Bündnisses “Gutes Wohnen in Bochum” kamen am gestrigen 5.Dezember rund 40 Menschen in der Quartiershalle der KoFabrik zusammen, um über die Wohnungskrise zu diskutieren. Betroffene berichteten über die realen Probleme bei Wohnungssuche, marode und zweckentfremdete Wohnungen sowie Versiegelung durch fragwürdigen Neubau. Diese Berichte machten die Anwesenden betroffen. Das Bündnis zeigte im Laufe des Abends aber zahlreiche Möglichkeiten auf, welche hilfreichen Maßnahmen der Rat im Handlungskonzept beschließen könnte.
Martin Krämer vom Mieterverein Bochum hatte zu Beginn die Entwicklung des Wohnungsmarktes in Bochum beschrieben. Die Neuvermietungsmieten seien zuletzt massiv gestiegen und die Anzahl der Sozialwohnungen, entgegen dem Ziel das Niveau zu halten, um 1.500 gesunken. Die Maßnahmen aus dem letzten Handlungskonzept hätten kaum Erfolge gezeitigt. So sei neben den Sozialwohnungen auch die Gesamtzahl neugebauter Wohnungen erheblich unter dem Ziel geblieben. Die explodierenden Baukosten verschärften aktuell die Lage noch, denn damit würden Neubaumieten von 12,50 bis 18,00 Euro erreicht, unbezahlbar für Normal- und Geringverdiener
Mieterin Doris Betsch berichtete über ihre enormen Schwierigkeiten als Normalverdienerin eine Wohnung zu finden. Rolf van Raden (Stadt für Alle) verwies für das Bündnis auf den Mangel an bezahlbaren Wohnraum in Bochum. Dieser könnte durch vor allem durch einen erhöhten Anteil bezahlbarer Wohnungen bei gemeinwohlorientierten Unternehmen wie der VBW und den aktiven Erhalt solcher Wohnungen verändert werden.
Besonderes Erschrecken lösten die Berichte des IFAK Sozialarbeiters Sardar Hajo aus. Er betreut junge Menschen bei der Wohnungssuche und im Mietverhältnis. Er berichtete von enormen Schwierigkeiten überhaupt eine Wohnung zu finden. Gelingt dies doch, nutzten skrupellose Vermieter die Notlage aus. Sie reagierten nicht auf Mängelanzeigen wegen Schimmel, ausgefallener Heizungen oder Warmwasser. Ein junger Mann habe daher drei Monate ohne Warmwasser leben müssen.
Sabine Mosler-Kühr (Rechtsberaterin beim Mieterverein Bochum) äußerte sich empört über die Zustände. Rechtlich sei es klar. Vermieter müssten Missstände schnell beseitigen. Mieter:innen hätten sonst Kürzungsrechte. Wenn Vermieter aber die Instandhaltungskosten gegen Null führen, machten sie selber in dem Fall noch Gewinn. Hier müsste die Stadt als Wohnungsaufsicht eingreifen, zumal längerfristiger Instandhaltungsstau ganze Häusern unbewohnbar machen könnte. Diesen Verlust bezahlbaren Wohnraums könne sich die Stadtgesellschaft aber nicht mehr leisten.
Rebecca Sirsch vom Netzwerk Stadt für Alle beschrieb anhand von Bildern diverse zweckentfremdete Wohnungen. Als besonders ärgerlich beschrieb Frau Sirsch die Umwandlung des Lohring Hochhauses mit 90 Wohnungen in Büros. Zweckentfremdung finde inzwischen zunehmend auch durch Ferienwohnungen statt. Zudem lasse selbst die Stadt Bochum Häuser durch mangelnde Investitionen verkommen. Diese stünden teilweise leer.
Aus dem Publikum meldete sich Klaus Schmitt zu Wort, der aktuell letzte Bewohner einer städtischen Häuserreihe in der Kohlenstraße. Er solle in wenigen Tagen von der Stadt zwangsgeräumt werden. Einige Anwesende versprachen daraufhin ihn im seinen Kampf für den Erhalt der Häuser unterstützen zu wollen.
Gegen diese Formen der Zweckentfremdung könne eine Wohnraumschutzsatzung helfen, sagte Michael Wenzel, Geschäftsführer des Mietervereins. Dies sei angesichts der Lage auf dem Wohnungsmarkt auch unbedingt geboten. Umwandlung in Büros und Ferienwohnungen, Abriss und Leerstand ab drei Monaten wäre dann genehmigungspflichtig. Vielfach entstehe Leerstand bei überforderten Privatvermietern. Diese Menschen bräuchten verstärkt Hilfsangebote.
In der abschließenden Runde zu Folgen von Versiegelungen berichtete Horst Petzker von der Bürgerinitiative „Grabeland Am Ruhrort“ über die immer noch nicht gestoppten Planungen für Neubau im Überschwemmungsgebiet in Dahlhausen. Der Kampf gegen die Versiegelung ökologisch wertvoller Freiflächen, die auch gegen Hitzeinseln wirkten, habe in Bochum eine besondere Bedeutung, sagte Andrea Wirtz vom Netzwerk bürgernahe Stadtentwicklung. Die Stadt liege auf Rang Neun der bundesweit meist versiegelten Städte. Statt weiter Neubau auf der Grünen Wiese zu erstellen, der die Versiegelung vorantreibe, sollte Neubau möglichst nur noch in Baulücken, durch Aufstockungen und Umbauten entstehen, forderte sie daher.
Im Schlusswort äußerte sich Martin Krämer, er sei beeindruckt von der Berichten. Das Bündnis “Gutes Wohnen in Bochum” habe gezeigt, die Lösung liege in der Bestandspolitik. Er rief Bochumer Bürgerinnen und Bürger auf, Instandhaltungsstau beim Mieterverein zu melden sowie abrissgefährdete Häuser beim Abriss-Atlas und Leerstände beim Leerstandsmelder Bochum einzutragen.