Ampel = Aufbruch?
Zumindest im Sprachgebrauch der drei Parteien, die seit Dezember die neue Bundesregierung stellen, steht die Ampel für Aufbruch. Schaut man sich die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag an, können da allerdings Zweifel aufkommen. Zumindest im Bereich Wohnungspolitik sprechen Mieterschützer eher von Stillstand.
„Der Koalitionsvertrag ist leider eine Enttäuschung für Mieterinnen und Mieter. Wir hatten die Hoffnung, mit der Ampel einen echten Fortschritt im Vergleich zur Großen Koalition zu bekommen, stattdessen kommen wir beim effektiven Mieterschutz wegen nicht geschlossener Schlupflöcher nicht voran. Offensichtlich hat sich die FDP beim Mietrecht deutlich durchgesetzt“, kommentiert der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, den heute vorgestellten Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien.
Anstatt Mietenwucher effektiv zu begrenzen oder die Mietpreisbremse nachzuschärfen, wurde lediglich die minimale Absenkung der Kappungsgrenze in angespannten Wohnungsmärkten von 15 auf 11 Prozent beschlossen. Vom vielzitierten Mietenstopp fehlt dagegen jede Spur. „Wer den Mietenanstieg und die Verdrängung in den Städten ernsthaft bekämpfen will, darf sich nicht allein mit einer Absenkung der Kappungsgrenze für Bestandsmieten in homöopathischen Dosen zufriedengeben“, so Siebenkotten.
Mieterinnen und Mieter brauchen aus Sicht des Deutschen Mieterbundes keine weiteren Evaluationen bestehender Mieterschutzregelungen. Es ist allseits bekannt, dass die Mietpreisbremse wegen zu vieler Ausnahmen und mannigfacher Umgehungen kaum wirkt und die bestehenden Kündigungsschutzregelungen dringend überarbeitet werden müssen. „Evaluationen und Prüfaufträge sind Beerdigungen zweiter Klasse. Mieterinnen und Mieter brauchen eine Regierung, die ihre Probleme am Schopfe packt und der Mietpreistreiberei und der Verdrängung auf den deutschen Wohnungsmärkten endlich ein Ende setzt“, fordert Siebenkotten.
Der Deutsche Mieterbund kritisiert zudem, dass Mieter und Mieterinnen mindestens bis zum 1. Juni 2022 den vollen CO2-Preis für fossile Heizanlagen bezahlen sollen, obwohl die Lenkungswirkung bei der Umstellung auf klimafreundliche Heizungen ausschließlich beim Vermieter erzielt werden kann. Die Prüfung eines Teilwarmmietenmodells, in dem die wohnkostentreibende Modernisierungsumlage aufgehen soll, ist grundsätzlich zu begrüßen, bleibt in Formulierung und Ausgestaltung aber zu vage. Zur Abfederung der enormen Energiekostensteigerungen in dieser Heizperiode soll das Wohngeld gestärkt und ein einmaliger Heizkostenzuschuss gezahlt werden. Das ist grundsätzlich positiv zu bewerten, aber ob damit die drohende Nebenkostenexplosion für viele Mieterinnen und Mieter abgewendet werden kann, bleibt abzuwarten.
Der Deutsche Mieterbund begrüßt die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit. Außerdem entspricht der Bau von 400.000 Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 geförderten, um die Wohnungsknappheit perspektivisch zu bekämpfen, den Forderungen des DMB. „Dies sind wichtige langfristige Ziele, die allerdings finanziell untermauert werden müssen. Jedoch hat die Ampel vorerst die Chance vertan, mit nachhaltigen Regelungen im Mietrecht für einen wirksamen Schutz der Mieterinnen und Mieter zu sorgen“, erklärt Siebenkotten.