Teilabriss in der Vogelsiedlung – Mieter in Tränen
Tränen der Erleichterung bei den einen, der Enttäuschung und Verzweiflung bei den anderen Mieterinnen und Mietern der sogenannten Vogelsiedlung in Bochum Grumme. Der befürchtete Kahlschlag bleibt aus, die VBW plant aber einen Teilabriss der Siedlung.
Die Katze ist aus dem Sack. Nach monatelangem Stillstand informierte die städtische VBW gestern die Mieterinnen und Mieter der Vogelsiedlung über ihre Pläne mit der Siedlung. Danach sollen ein Drittel der Wohnungen abgerissen und durch barrierefreie Neubauten ersetzt werden. Das betrifft die Wohnungen an der Heckertstraße 92, 92a, 94 und 94a – 16 an der Zahl. Die übrigen 32 Wohnungen am Amsel- und Lerchenweg sollen erhalten und energetisch saniert werden. Die Mieten sollen dabei nur um 60 Ct. pro qm steigen, was die VBW als “warmmietenneutral” bezeichnete. Der Innenhof soll vergrößert und in enger Absprache mit den Mietern neu gestaltet werden.
Ehrgeizig ist dabei vor allem der Zeitplan: Sowohl mit der Modernisierung als auch mit Abriss und Neubau möchte die VBW bereits in der 2. Jahreshälfte 2021 beginnen. Die 12 Mietparteien, die noch an der Heckertstraße wohnen, sollen zuvor sozialverträglich umgesiedelt werden – möglichst in der Siedlung selbst. Ein Zeitplan, den man beim Mieterverein für völlig unrealistisch hält. Sprecher Aichard Hoffmann, der auch die Mieterinitiative betreut: “Die VBW als städtische Gesellschaft kann und wird den Mietern nicht kündigen. Sollte sie es doch tun, wird sie Jahre brauchen, die Wohnungen frei zu bekommen. Manche Mieter dort haben allein 9 Monate Kündigungsfrist. Und wer nicht freiwillig auszieht, müsste herausgeklagt werden. Das würde Jahre dauern.”
Die VBW habe deshalb keine andere Möglichkeit, als auf einen freiwilligen Auszug der Mieterinnen und Mieter zu setzen. Diese seien dabei in der besten aller denkbaren Verhandlungspositionen: “Ersatzwohnung, Umzugskostenübernahme, Schadensersatz – die VBW muss hier einiges springen lassen”, so Hoffmann. “Und die Mieter sind durch nichts verpflichtet, gleich das erstbeste Ersatzangebot anzunehmen. Wir kennen Fälle, in denen die Verhandlungen um so einen freiwilligen Auszug schon fünf Jahre dauern.”
Rätselraten bereiten auch die Zahlen darüber, wie viele Mietparteien Ersatzwohnraum direkt in der Siedlung finden können. Laut VBW stehen dort zum Jahresende 6 Wohnungen leer. Nach ihrer Darstellung könnten also die Hälfte der Mieter, die umziehen müssten, in der Siedlung bleiben. Doch 4 leere Wohnungen stehen allein an der Heckertstraße – und die werden ja abgerissen, stehen also als Ersatzwohnraum gar nicht zur Verfügung.
Auch an der “Warmmietenneutralität” hat der Mieterverein erhebliche Zweifel. Hoffmann: “60 Ct. Heizkostenersparnis sind ein theoretischer Rechenwert, der in der Praxis völlig unrealistisch ist – ähnlich wie die Abgaswerte beim Diesel. In der Vergangenheit hatten wir nicht eine einzige energetische Sanierung, bei der dieser theoretische Rechenwert auch nur annähernd erreicht wurde. Wenn die Mieter am Schluss die Hälfte davon an Heizkosten sparen, können sie froh sein.”
Immerhin bleibt nach den jetzt vorgestellten Plänen 2/3 des Wohnraums in der Siedlung als relativ preiswerter Wohnraum erhalten, und gegen barrierefreien Neubau lässt sich auch nicht viel sagen. Entscheidend ist, wie die VBW jetzt mit den Mieterinnen und Mietern umgeht.