BGH erschwert Verwertungskündigung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat strenge Anforderungen an das Recht des Vermieters, einem Mieter wegen “Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung” zu kündigen, formuliert. Dieses Kündigungsrecht liefere keinen Vorwand für die höchstmögliche Rendite.
„Wir begrüßen die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, mit der Mieterrechte gestärkt und strengere Anforderungen an die so genannte Verwertungskündigung eines Vermieters formuliert werden“, kommentierte der Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten, das heutige Urteile der Karlsruher Richter (BGH VIII ZR 243/16). „Längst nicht jedes wirtschaftliches Interesse oder der Wunsch, die höchstmögliche Rendite bzw. den größtmöglichen wirtschaftlichen Nutzen aus einer Immobilie zu ziehen, rechtfertigt eine Kündigung wegen angemessener wirtschaftlicher Verwertung.“
Nach dem Gesetz kann der Vermieter einem vertragstreuen Mieter nicht nur wegen Eigenbedarfs kündigen, sondern auch, wenn der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung gehindert wird und er hierdurch erhebliche Nachteile erleidet. Hier hatte ein Geschäftsmann 2015 ein Haus mit einer vermieteten 7-Zimmer-Wohnung gekauft und war so nach dem Gesetz Vermieter geworden. Noch im gleichen Jahr kündigte er den Mietern die Wohnung. Er argumentierte, er wolle das Haus abreißen, um an dieser Stelle Gewerberäume zu errichten. Damit solle das auf dem – dem Vermieter ebenfalls gehörenden – Nachbargrundstück gelegene Modehaus erweitert werden. Das Modehaus wird von einer Kommanditgesellschaft betrieben, deren alleiniger Geschäftsführer der Vermieter selbst ist.
Der Bundesgerichtshof urteilte jetzt, der geplante Abriss des Gebäudes zur Erweiterung des benachbarten Modehauses könne zwar eine angemessene wirtschaftliche Verwertung darstellen. Allerdings sei eine Verwertungskündigung nur unter der zusätzlichen hohen Voraussetzung zulässig, dass dem Eigentümer durch den Fortbestand des Mietverhältnisses anderenfalls ein „erheblicher Nachteil“ entstehen würde. Hier hätten die Gerichte zu beachten, dass nicht nur die Rechtsposition des Vermieters, sondern auch das Besitzrecht des Mieters von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie geschützt sei. Vor diesem Hintergrund gewähre das Eigentum dem Vermieter keinen uneingeschränkten Anspruch auf Gewinnoptimierung oder Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeit, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil verspricht. Auf der anderen Seite dürften aber auch die Nachteile, die dem Vermieter bei Fortsetzung des Mietverhältnisses drohten, keinen Umfang annehmen, welcher die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung erwachsen würden. Vorliegend habe die Vorinstanz, das Landgericht Waldshut-Tiengen, lediglich oberflächlich und pauschal festgestellt, der Vermieter sei maßgeblich auf die langfristige Sicherstellung von Mieteinnahmen angewiesen, die Erweiterung sei für das Modehaus existenziell. Dies aber werde den hohen gesetzlichen Anforderungen an eine Verwertungskündigung nicht gerecht.
Lukas Siebenkotten: „Der Bundesgerichtshof hat richtigerweise klargestellt, dass keine erheblichen Nachteile vorliegen, die eine Kündigung rechtfertigen, wenn der Eigentümer einer vermieteten Wohnung mit dieser im Interesse einer möglichen, bloßen Gewinnoptimierung nicht nach Belieben verfahren kann.“
Außerdem betonte der Bundesgerichtshof, dass auf der Vermieterseite nur die Nachteile berücksichtigt werden könnten, die ihm selbst entstehen würden. Das Modehaus werde aber nicht vom Vermieter betrieben, sondern von einer anderen Gesellschaft. Daran ändere auch die persönliche und wirtschaftliche Verflechtung des Vermieters mit dieser Gesellschaft nichts.